Gedenken an die Reichspogromnacht am JGS
Im Jacobson-Gymnasium Seesen ist
derzeit eine Ausstellung zu sehen, welche über die Ereignisse des 9. Novembers
1938 informiert. Gestaltet wurde sie von den Religionskursen des zehnten
Jahrgangs. Viele Klassen des JGS haben die Ausstellung bereits besucht und
wurden von jeweils zwei Vertretern der Religionskurse durch diese sachkundig
geführt. Die für die Ausstellung verantwortlichen Schüler übernahmen auch die
Planung und Durchführung der traditionellen Gedenkfeier zur Reichspogromnacht
im Pädagogischen Zentrum der Schule, unter Leitung der Religionslehrer Johannes
Leuschner und Philipp Klassen.
Dabei gab es gleich zwei
Neuerungen: Zum einen wurde zum ersten Mal der Schulchor mit eingebunden.
Zwischen den einzelnen Beiträgen der Zehntklässler trat immer ein Chormitglied
auf die Bühne und rezitierte eine Strophe des Liedes "Freunde, dass der
Mandelzweig". Schalom Ben-Chorin schrieb dieses Lied während der Zeit des
Nationalsozialismus. Er selbst wurde auch verfolgt und musste Deutschland im
Alter von 21 Jahren verlassen. Er setze sich sein ganzes Leben lang für die
Verständigung von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion ein. Zum
Ende der Gedenkfeier sang der Chor dann das Lied. Eine zweite Neuerung war die
Darstellung der Geschichte Siegfried Nußbaums in Form eines Theaterstücks. Durch
die Inszenierung des feigen Mordanschlags der Nationalsozialisten auf den
Seesener Synagogenwächter wurde die Grausamkeit der Ereignisse der
Reichpogromnacht erfahrbar.
Zu Beginn der Gedenkveranstaltung stellte Schulleiter Stefan
Bungert einen Bezug zu den aktuellen Geschehnissen im Nahen Osten her. Er
machte dabei deutlich, dass seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres die
Gewalt in diesem Teil der Erde immer weiter eskalierte. Der Überfall der Hamas
auf Israel war der schlimmste Pogrom an Juden seit dem Holocaust. Mehr als
1.200 Menschen starben an diesem Tag. In den Wochen und Monaten nach diesem
schicksalhaften Tag fielen Zehntausende Bewohner des Gazastreifens den israelischen
Bomben und Granaten zum Opfer.
Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Schreckensnachrichten
wurde jedem Mitglied der Schulgemeinde ersichtlich, wie bedeutsam der 9.
November als Gedenktag ist. Diesem Erinnern dienen u.a. die Stolpersteine. Die
Kursmitglieder wiesen in der Veranstaltung darauf hin, dass es in Seesen eine
Reihe von Stolpersteinen gibt, die vor allem an jüdische Mitbürger erinnern,
die während des Holocausts verfolgt wurden. Genauer berichteten die Schüler über
den Stolperstein, der Liselotte Rosenbaum gewidmet ist. 1942 wurde sie ins
Ghetto nach Warschau deportiert. In ihrer Zeit im Ghetto schrieb sie noch einen
Abschiedsbrief an ihre Familie. Darin berichtet sie unter anderem über ihr
Leiden, ihre Ängste und ihre Todeserwartung. Außerdem schrieb sie über ihre
kurze Liebesgeschichte mit ihrem Mann Martin Heine.
Mit dem Verlesen mehrerer Fürbitten, in denen sich die
Schüler gegen das Vergessen und für Frieden aussprachen, endete die
Gedenkfeier. Im Anschluss ging Herr Bungert mit den Kursteilnehmern und allen
Klassensprechern zum Gedenkstein auf dem Gelände des Schulzentrums, um dort
einen Kranz niederzulegen und die Inschrift zu verlesen.
„Freunde, dass der Mandelzweig / Wieder blüht und treibt, /
Ist das nicht ein Fingerzeig, / dass die Liebe bleibt?“ – so heißt es in der
letzten Strophe des Liedes von Ben-Chorin. Das engagierte Erinnern der Schüler
aus den beiden Religionskursen stellt so einen blühende Mandelzweig dar, als
Zeichen der Hoffnung in schwierigen Zeiten.
Text: René Kürbitz